EXIT, Bremen

engl.

Antonia Baehr’s latest piece is about an ever-present but mostly overlooked aspect of western theatre buildings: the emergency exit signs. Like many theatre artists, she has also made constant efforts to fight against this ‚visual noise‘ that makes a real blackout impossible. In this lecture performance, however, she makes them the stars. EXIT takes us into a world between light and dark, in which the green light makes us think about the supposedly fixed oppositions of „inside“ and „outside“, „safety“ and „danger“ or „body“ and „image“. It is a magical journey through the things that theatre tries to ignore and the western image of humans it has helped to create.

de.

In ihrer neusten Arbeit widmet sich Antonia Baehr einem allgegenwärtigen, aber meist übersehenen Phänomen westlicher Theaterhäuser: dem obligatorischen Leuchten der Notausgangsschilder. Während Sie selbst genau wie viele andere Theaterkünstler*innen immer wieder Anstrengungen unternommen hat, diese „Störgeräusche“ einer wirklichen Dunkelheit zu unterdrücken, macht sie Sie nun zu den „Stars“ ihrer Lecture Performance. EXIT nimmt uns mit in eine Sphäre zwischen Licht und Dunkel, in der uns das grüne Glimmen mit den Paradoxien der vermeintlich stabilen Binarismen von „Drinnen“ und „Draussen“, „Sicherheit“ und „Gefahr“ und „Körper“ und „Bild“ konfrontiert – eine Traumreise durch das Verdrängte des Theaters und das Phantasma des von ihm maßgeblich mitgeprägten westlichen Menschenbildes.

Ohne Sicherheit ist alles nichts. Aber was ist Sicherheit?

In EXIT wendet sich Antonia Baehr auf radikale Weise dem Versprechen zu, das Theater ihren Zuschauer*innen geben: jede künstlerische Arbeit ist unterlegt von grün leuchtenden Notausgangsschildern, die uns im Falle des Falles den Weg nach Draußen bzw. zu körperlicher Unversehrtheit weisen.

Baehr macht diese Schilder auf Bühnen und in Zuschauerräumen zu den Stas ihrer Inszenierung – sie fokussiert den Blick auf jene running man“ (so der Titel des Schilddesigns), indem sie auf andere Lichtquellen verzichtet und sie damit sowohl in ihrer Symbolik, als auch als einzige Lichtquellen zum Kernelement ihrer Performance macht.

Durch die langsame Adaption unserer Augen ist sie zunächst nur eine Stimme, die uns über die Geschichte von Notausgangsschildern informiert, aber mit der Zeit tritt sie uns immer deutlicher als jener Körper vor Augen, den die EXIT-Schilde adressieren: von einer weißen Fläche wird sie zunehmend mehr zu einem körperlichen Weisen, das sich zugleich geisterhaft wie möglicherweise nackt unseren Blicken darbietet, ein Körper, den wir kaum als Körper identifizieren können, ein Körper, von dem wir uns immer wieder fragen, ob er eigentlich mit der Stimme verbunden ist, die wir hören und der kein Jemand ist, aber genau als Dieses kontinuierlich Laut gibt.

Auf dem Höhepunkt unserer Fähigkeit, mit unseren Blicken das Dunkel zu durchdringen, dekonstruiert Baehr jenes weiße Rechteckauf dem Notausgangsschild, das für ein sicheres Außen ergo die Tür steht: was, so fragt sie, geschieht, wenn für Körper dieses sichere versprochene Außen nicht länger existiert? Was, wenn wir unsere Sicherheit nicht mehr darauf gründen können, dass wir an einem bestimmten Ort, in eine bestimmte Richtung, fliehen können? Was ist, wenn der Notfall kein eingrenzbares Ereignis ist, von dem man sich entfernen kann, sondern der Notfall unser gesamtes Lebenssystem umfasst? In EXIT erleben wir einen Körper, der Verletzungen in sich verschließt, der steif wird und nichts mehr aus sich herauslässt, um funktionabel zu bleiben, der seine Lebendigkeit verliert und in sich selbst zu Grunde geht. Wir sehen, was tausende, hunderttausende gerade auf diesem Planeten erleben. Die alle je Einzelne sind.

Wenn am Ende der Performance eine einzelne, von der Decke hängende Glühbirne Licht in den Raum wirft, hat diese Dringlichkeit nichts von ihrem Gewicht verloren: „Visibility“, so Baehr, gibt uns nur die „binary terms“ der westlichen Gesellschaft zu sehen – schwarz und weiß, Mann und Frau, alt und jung, hässlich und hübsch, drinnen und draußen, eins und null. In einem Love-Hate-Tanz mit diesen „binary terms“ entscheidet sich der wild gewordene „running man“, der Körper in Not und damit aber auch der (noch) lebendige Körper Baehrs, für das einzige, was wir in terms of Selbstermächtigung vermutlich tun können: nämlich sie aufzuessen – vielleicht, damit es wieder Dunkel werde und wir die Ambiguität hinter all unseren Eindeutigkeiten sehen können, vielleicht aber auch einfach in der persönlichen Hoffnung, dass sie verdaut und irgendwann wieder ausgeschieden werden können.“ – Mayte Zimmermann

Concept & performance: Antonia Baehr

Sound design and technical direction: Carola Caggiano

Dramaturgical collaboration: Lindy Annis, Bettina Knaup, Mayte Zimmermann

Research: Manon Haase, Laura Schilling, Sarah Tehranian

Production assistance: Nele Beinborn

Organization: Alexandra Wellensiek

Based on audio-messages by: Lindy Annis, Frédéric Bigot, Frieder Butzmann, Carola Caggiano, Mette Edvardsen, Silvia Fanti, Neo Hülcker, André Lepecki, JMK Nicholas, Stefan Pente, Anne Quirynen, Michael Schlund, Anna Wagner & an interview with Susanne Görres

A production by make up productions in copproduction with Künstlerhaus Mousonturm (Frankfurt), Theater Freiburg (Freiburg), HAU Hebbel am Ufer (Berlin)

Gefördert durch

Koproduktionsförderung Tanz aus Mitteln der Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien.

Dank an: Cris Blanco, Deutsche Oper Berlin, Susanne Görres & Hau Hebbel am Ufer Team, Eva Meyer-Keller, Constanze Schellow, Anna Wagner & Team Mousonturm

Antonia Baehr

Funded by

Koproduktionsförderung Tanz aus Mitteln der Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien.

Thank you to: Cris Blanco, Deutsche Oper Berlin, Susanne Görres & Hau Hebbel am Ufer Team, Eva Meyer-Keller, Constanze Schellow, Anna Wagner & Team Mousonturm

Konzept & Performance: Antonia Baehr

Technische Leitung: Carola Caggiano

Dramaturgie: Lindy Annis

Dramaturgische Mitarbeit: Bettina Knaup, Mayte Zimmermann

Recherche : Manon Haase, Laura Schilling, Sarah Tehranian

Produktionsassistenz: Nele Beinborn

Organisation: Alexandra Wellensiek

Basierend auf Audio-Messages von: Lindy Annis, Frédéric Bigot, Frieder Butzmann, Carola Caggiano, Mette Edvardsen, Silvia Fanti, Neo Hülcker, André Lepecki, JMK Nicholas, Stefan Pente, Anne Quirynen, Michael Schlund, Anna Wagner & einem Interview mit Susanne Görres

Eine Produktion von make up productions in Koproduktion mit Künstlerhaus Mousonturm (Frankfurt), Theater Freiburg (Freiburg), HAU Hebbel am Ufer (Berlin)

Gefördert durch

Koproduktionsförderung Tanz aus Mitteln der Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien.

Dank an: Cris Blanco, Deutsche Oper Berlin, Susanne Görres & Hau Hebbel am Ufer Team, Eva Meyer-Keller, Constanze Schellow, Anna Wagner & Team Mousonturm

Antonia Baehr

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